Hallo und herzlich willkommen bei Fadenmagie! Heute erschaffen wir ein wahres Wunderwerk der Nähkunst, das so praktisch wie zauberhaft ist: eine Wende-Stofftasche. Stell dir vor, du hast eine Tasche, die sich deiner Laune, deinem Outfit oder dem Anlass anpasst. Mit einem einzigen Handgriff verwandelst du ein schlichtes Leinen-Accessoire in einen farbenfrohen Hingucker – oder umgekehrt.
Aber was wäre eine Tasche ohne das kleine bisschen Extra-Organisation? Genau, nur halb so praktisch! Deshalb statten wir unser Meisterstück natürlich mit Innentaschen aus, die – durch die Magie der Wendetechnik – je nach Laune zu Außentaschen werden.
Dieses Projekt ist perfekt für Nähanfänger geeignet, die sich an eine erste Herausforderung wagen wollen, aber auch für erfahrene Näherinnen, die ein schnelles und unglaublich befriedigendes Projekt für zwischendurch suchen. Wir führen dich Schritt für Schritt durch den Prozess, von der Stoffauswahl bis zur letzten, perfekten Naht. Schnapp dir deine Lieblingsstoffe, lass die Nähmaschine surren und erschaffe mit uns ein Stück Alltagsmagie!
Teil 1: Die Vision – Planung, Stoff und Material
Jedes magische Werk beginnt mit einem guten Plan. Bevor wir zur Tat schreiten, überlegen wir uns, wie unsere Tasche aussehen soll und was wir dafür benötigen.
1. Die Stoffwahl: Zwei Seiten einer Geschichte
Das Herzstück deiner Wendetasche sind zwei harmonierende oder bewusst kontrastierende Stoffe. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!
- Stoffart: Am besten eignen sich nicht dehnbare Webstoffe. Klassiker sind Baumwollstoffe (Canvas, Köper, Deko-Stoffe) und Leinen. Sie sind robust und lassen sich gut verarbeiten. Für eine etwas edlere Variante kannst du auch Cord oder dünnen Jeansstoff verwenden.
- Das Design-Duo:
- Kontrast: Kombiniere einen gemusterten Stoff mit einem passenden unifarbenen Stoff. So hast du eine “laute” und eine “leise” Seite.
- Harmonie: Wähle zwei Stoffe aus derselben Farbfamilie, vielleicht mit unterschiedlichen Mustern (z.B. große Blumen und kleine Punkte).
- Thema: Wie wäre es mit einer Sommer-Seite (maritime Streifen) und einer Herbst-Seite (Blätterdruck)?
- Wichtiger erster Schritt: Vorwaschen! Wasche beide Stoffe unbedingt vor dem Zuschnitt. So verhinderst du, dass deine fertige Tasche nach der ersten Wäsche ihre Form verliert, weil die Stoffe unterschiedlich einlaufen.
2. Die Größe definieren
Unsere Anleitung ist für eine geräumige Alltagstasche (ca. 40 cm breit und 45 cm hoch) ausgelegt. Du kannst die Maße aber jederzeit nach deinen Wünschen anpassen. Bedenke: Eine größere Tasche benötigt stabilere Stoffe oder eine zusätzliche Verstärkung.
3. Material- und Werkzeugliste
- Außenstoff (Stoff A): ca. 0,5 m (bei 1,40 m Stoffbreite)
- Innenstoff (Stoff B): ca. 0,5 m (bei 1,40 m Stoffbreite)
- Passendes Nähgarn: Wähle eine Farbe, die zu beiden Stoffen gut passt, oder verwende für jede Seite eine andere Garnfarbe auf der Spule und im Oberfaden.
- Vlieseline H250 oder G700 (optional, aber empfohlen): Zum Verstärken der Träger und eventuell eines der Taschenkörper für mehr Stand. Ca. 0,3 m.
- Stoffschere oder Rollschneider und Schneidematte
- Stecknadeln oder Stoffklammern (Wonder Clips)
- Maßband und ein langes Lineal
- Schneiderkreide oder ein auswaschbarer Markierstift
- Bügeleisen und Bügelbrett
- Nähmaschine
Teil 2: Der Zuschnitt – Die Blaupause deiner Tasche
Präzision beim Zuschnitt ist der Schlüssel zu einem professionellen Ergebnis. Bügle deine vorgewaschenen Stoffe sorgfältig, bevor du mit dem Schneiden beginnst. Wir fügen überall eine Nahtzugabe von 1 cm hinzu.
Schneide folgende Teile zu:
Aus Stoff A (dein erster Stoff):
- 2x Taschenkörper: 42 cm breit x 47 cm hoch
- 2x Träger: 10 cm breit x 60 cm lang (oder deine Wunschlänge)
- 1x Aufgesetzte Tasche: 22 cm breit x 24 cm hoch (optional, für eine der Seiten)
Aus Stoff B (dein zweiter Stoff):
- 2x Taschenkörper: 42 cm breit x 47 cm hoch
- 1x Aufgesetzte Tasche: 22 cm breit x 24 cm hoch (optional, für die andere Seite)
Aus der Bügeleinlage (Vlieseline):
- 2x Träger: 4 cm breit x 60 cm lang
Teil 3: Vorbereitungen – Die Details machen die Magie
Bevor wir die Hauptteile zusammennähen, kümmern wir uns um die Träger und die aufgesetzten Taschen.
1. Die Träger verstärken und nähen
Stabile Träger sind das A und O.
- Verstärken: Nimm deine zugeschnittenen Träger aus Stoff A. Bügle die Vlieseline-Streifen mittig auf die linke Stoffseite der beiden Träger.
- Falten und Bügeln: Falte jeden Träger der Länge nach links auf links in der Mitte und bügle die Kante. Klappe ihn wieder auf. Falte nun die beiden langen Außenkanten zur soeben gebügelten Mittellinie und bügle erneut.
- Zusammenfalten und Nähen: Falte den Träger an der Mittellinie wieder zusammen. Jetzt liegen alle offenen Kanten im Inneren. Fixiere alles mit Klammern. Steppe beide langen Kanten knappkantig ab. Wiederhole dies für den zweiten Träger. Deine robusten Träger sind fertig!
2. Die aufgesetzten Taschen nähen
Diese Taschen sind einfach zu nähen und unglaublich praktisch.
- Obere Kante versäubern: Nimm ein zugeschnittenes Taschenteil. Schlage die obere Kante 1 cm auf die linke Seite um und bügle. Schlage sie erneut 2 cm um, bügle wieder und steppe die Kante fest. Das ist die Öffnung deiner Tasche.
- Seiten einklappen: Bügle die beiden seitlichen und die untere Kante jeweils 1 cm auf die linke Seite um. Nutze die Ecken deines Bügelbretts, um saubere Kanten zu formen.
- Positionieren und Annähen: Nimm ein Taschenkörper-Teil (z.B. von Stoff A). Positioniere die vorbereitete Tasche mittig darauf. Der Abstand zum oberen Rand sollte ca. 10 cm betragen. Stecke oder klammere die Tasche fest.
- Nähen: Steppe die Tasche an den beiden Seiten und der Unterkante knappkantig auf den Taschenkörper.
- Profi-Tipp: Um die Ecken der Taschenöffnung reißfester zu machen, nähe am Anfang und Ende deiner Naht ein kleines Dreieck oder einen kurzen Querriegel.
- Wiederhole diese Schritte für die zweite Tasche und den zweiten Taschenkörper, falls du auf beiden Seiten eine Tasche möchtest.
Teil 4: Die zwei Taschen entstehen
Jetzt fügen wir die Hauptteile zusammen. Wir nähen im Grunde zwei separate Taschen – eine aus Stoff A und eine aus Stoff B.
1. Die Außentasche (Stoff A) nähen
- Lege die beiden Taschenkörper aus Stoff A rechts auf rechts aufeinander. Achte darauf, dass die aufgesetzte Tasche innen liegt.
- Klammere die beiden Seiten und den Boden zusammen.
- Nähe die beiden Seiten und den Boden mit 1 cm Nahtzugabe. Lasse die obere Kante offen!
2. Die Innentasche (Stoff B) nähen – mit dem entscheidenden Trick!
- Lege auch die beiden Taschenkörper aus Stoff B rechts auf rechts aufeinander.
- Nähe die beiden Seiten zusammen.
- WICHTIG: Nähe nun den Boden, aber lasse in der Mitte eine Wendeöffnung von ca. 15 cm! Verriegele die Naht am Anfang und Ende der Öffnung gut, damit sie beim Wenden nicht aufreißt.
3. Die Bodenecken formen (für beide Taschen)
Dieser Schritt verleiht deiner Tasche Tiefe und Stand.
- Nimm eine der genähten Taschen (z.B. die Außentasche) und greife in eine der unteren Ecken. Ziehe den Stoff so auseinander, dass die Seitennaht genau auf der Bodennaht liegt. Es entsteht ein Dreieck.
- Miss von der Spitze des Dreiecks 5 cm entlang der Naht nach innen und zeichne eine Linie im rechten Winkel zur Naht.
- Nähe genau auf dieser Linie entlang. Schneide das überstehende Dreieck bis auf 1 cm Nahtzugabe ab.
- Wiederhole dies für die andere Ecke der Außentasche und für beide Ecken der Innentasche.
Du hast nun zwei fast fertige Taschen, eine davon mit einer Öffnung im Boden. Perfekt!
Teil 5: Das große Zusammenfügen – Die Wende-Magie
Jetzt kommt der aufregendste Teil, bei dem aus zwei Taschen eine wird.
1. Die Träger anbringen
- Nimm deine Außentasche (Stoff A). Sie liegt immer noch auf links.
- Miss von den Seitennähten an der oberen, offenen Kante jeweils ca. 8-10 cm nach innen und mache eine Markierung.
- Positioniere die Enden eines Trägers an diesen Markierungen. Die offenen Enden des Trägers zeigen nach oben und liegen bündig mit der Oberkante der Tasche. Der Träger selbst liegt auf dem Taschenkörper.
- Achtung: Achte darauf, dass der Träger nicht verdreht ist!
- Befestige die Trägerenden mit Klammern und nähe sie mit einer kurzen Naht innerhalb der Nahtzugabe (also bei ca. 0,5 cm) fest. Das nennt man “Heften” oder “Basting” und verhindert, dass sie später verrutschen.
- Wiederhole dies auf der anderen Seite mit dem zweiten Träger.
2. Die Taschen ineinanderstecken
- Deine Außentasche (Stoff A) mit den angehefteten Trägern ist auf links gedreht.
- Deine Innentasche (Stoff B) ist auf rechts gedreht.
- Stecke nun die Innentasche (die schöne Seite außen) in die Außentasche (die schöne Seite innen). Die rechten Stoffseiten beider Taschen liegen nun aufeinander. Die Träger sind zwischen den beiden Taschenlagen eingeklemmt.
3. Die Oberkante schließen
- Richte die oberen Kanten beider Taschen exakt aufeinander aus. Die Seitennähte sollten genau aufeinandertreffen.
- Fixiere die gesamte obere Kante sorgfältig mit Klammern.
- Nähe einmal komplett um die obere Kante herum mit 1 cm Nahtzugabe. Damit verbindest du beide Taschen und nähst die Träger endgültig fest.
Teil 6: Die Enthüllung und der letzte Schliff
Der Moment der Wahrheit ist gekommen!
1. Die Wende
- Greife durch die Wendeöffnung im Boden der Innentasche.
- Fasse die innerste Schicht und beginne, die gesamte Tasche vorsichtig durch die Öffnung zu ziehen. Es mag zunächst wie ein unordentliches Stoffknäuel aussehen, aber hab Geduld.
- Ziehe alles heraus, bis die komplette Tasche gewendet ist. Forme die Ecken gut aus.
2. Die Wendeöffnung schließen
- Stecke nun die Innentasche (die mit der Öffnung) in die Außentasche.
- Finde die Wendeöffnung. Die Nahtzugaben sind durch das Nähen bereits nach innen gebügelt. Klappe sie sauber nach innen und fixiere die Öffnung mit Klammern.
- Schließe die Öffnung, indem du sehr knappkantig darüber nähst. Da dies die Innentasche ist, fällt die Naht kaum auf. Für Perfektionisten: Schließe die Öffnung unsichtbar von Hand mit dem Leiterstich (auch Matratzenstich genannt).
3. Das finale Topstitching
Dies ist der letzte, aber entscheidende Schritt für einen professionellen Look.
- Bügle die obere Kante deiner nun fertigen Tasche sehr sorgfältig. Achte darauf, dass keine der beiden Stoffseiten hervorblitzt.
- Steppe die gesamte obere Kante noch einmal knappkantig (ca. 0,5 cm Abstand) ab. Das sorgt für eine scharfe, saubere Kante und verhindert, dass das Futter beim Tragen verrutscht.
Dein magisches Unikat ist fertig!
Herzlichen Glückwunsch! Du hast es geschafft. Du hältst ein wahres Multifunktionswunder in den Händen. Eine Tasche, zwei Looks, unendlich viele Möglichkeiten. Trage sie mit Stolz zum Einkaufen, zur Arbeit oder als treuen Begleiter im Alltag. Wechsle die Seite je nach Stimmung und genieße die bewundernden Blicke, wenn du verrätst: “Die habe ich selbst gemacht!”
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